Sonntag, 12. Februar 2017

Trump und andere Kuriositäten - Abtreibung im 21. Jahrhundert


Das Video 

Channel 4 Video

 Dieses Video wurde bereits im März 2016 veröffentlicht, dennoch kursiert es bis heute in den sozialen Netzwerken. Allein auf Facebook wurde der Ausschnitt von Channel 4 News bisher über 97000 mal geteilt.
Über die Sendung "Late Night with Seth Meyers" erlangte der Clip auf Youtube noch mehr Aufmerksamkeit:



Der Hintergrund

 Zugegeben, dieses Video entstammt noch Trumps Wahlkampf und zumindest bislang wurde das Thema in seiner Amtsperiode noch nicht weiter aufgegriffen. Darüber hinaus revidierte seine Presseabteilung wenig später Trumps Aussagen und gab gesonderte Pressestatements ab, die selbstverständlich weniger Medienaufmerksamkeit erfuhren als die erste, provokante Aussage.

In diesem Statement, das auch jetzt noch auf seiner Wahlkampfseite verfügbar ist (zur Website ), nimmt er jedoch lediglich die Aussage zurück, dass die Frau bestraft werden sollte und macht nun die Ärzte für einen potentiellen Eingriff verantwortlich. Absurderweise wurde Trump von seinen Anhängrn höchst zweifelhaft verteidigt; schuld an seiner verwerflichen Antwort sei nur die unangekündigte Frage des Moderators. Die Schuld liege also nicht bei Trump, sondern bei der Sendung, oder: Den Medien.

Doch nehmen wir ein bisschen Abstand von der oftmals reißerischen Berichterstattung, die es in sozialen Netzwerken leicht hat und stellen wir uns vor, Trump verträte tatsächlich den Standpunkt, Abtreibung solle illegal und strafbar sein.  Werfen wir dazu einen Blick auf die Länder, in denen Abtreibung tatsächlich einen Strafbestand darstellt.

Die Strafbarkeit von Abtreibungen führt in manchen Ländern dazu, dass die Frauen ihre Schwangerschaft eigenmächtig beenden, zum Beispiel durch das Trinken von Bleichmittel oder sogar mit absichtlichen Stürzen. Nicht wenige Frauen verlieren dabei ihr eigenes Leben. Ende 2014 wurde daher beispielsweise in Mosambik eine Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal, da die Sterblichkeit schwangerer Frauen zuvor besonders hoch war. (Spiegel Online: Illegale Abtreibungen in Afrika - Das Sterben im Hinterzimmer)
 Mosambik war damit übrigens eines der ersten Länder in Afrika, das Abtreibung "legalisierte". Bisher gab es entsprechende Gesetze nur in Tunesien, Südafrika und auf den Kapverdischen Inseln.

Estimated annual number of unsafe abortions per 1000 women aged 15–44 years, by subregions, 2008



http://www.who.int/reproductivehealth/topics/unsafe_abortion/magnitude/en/

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt regelmäßig Berichte über die Folgen illegaler Abtreibungen heraus (WHO - Unsafe abortion (Download), in denen ersichtlich wird, welche Folgen illegale Abtreibungen mit sich bringen (finanziell und persönlich) und eine Schätzung der Anzahl an Frauen, die jährlich an den Folgen einer illegalen Abtreibung sterben. Für uns (Westeuropäer) ist das Risiko einer "unsicheren Abtreibung" sehr niedrig, doch auch hier sind diese Rechte noch nicht völlig selbstverständlich.



Die Geschichte

Denn das „Recht“ zur straffreien Abtreibung ist noch gar nicht besonders lange etabliert;
In den USA ist seit 1973 generell ein Abbruch bis zur Lebensfähigkeit des Kindes erlaubt (Gerichtsbeschluss Roe v. Wade), allerdings bleiben den einzelnen Bundesstaaten konkrete rechtliche Vorgaben vorbehalten.
Auch in Deutschland wurden entsprechende Gesetze erst Anfang der 70er Jahre etabliert:
In der DDR war ein Schwangerschaftsabbruch ab 1950 unter besonderen Umständen erlaubt, 1972 wurde ein Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt legalisiert (Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft).
In der BRD existiert das entsprechende Gesetz sogar erst seit 1976, ein vorheriger Entwurf galt zunächst als verfassungswidrig.


Warum dieses Video?

Dieses Video wurde vor allem aufgrund der hohen Reichweite über einen langen Zeitraum hinweg ausgewählt: Das Original wurde laut Facebook über 16 Millionen mal aufgerufen, 97419 mal geteilt (Stand 12.02.2017) und mehr als 19000 mal kommentiert - zuzüglich der Reaktionen auf die geteilten Beiträge.
Gefährlich ist hierbei zum Beispiel der Kontext im Bezug auf das Erscheinungsdatum. Jemand, der dieses Video heute in seiner Timeline findet, könnte denken, es ist eine aktuelle Aussage Trumps. Die Diskussion "pro-life" (prolife.com) gegen "pro-choice" (prochoice.org) existiert in den USA schon seit Anfang der 70er Jahre, stammt also ungefähr aus der Zeit, in der die Straffreiheit für Schwangerschaftsabbrüche deklariert wurde.
 Über die Websites wird deutlich, dass die Pro-Life-Bewegung vor allem religiös motiviert ist, Abtreibung wird als "Sünde" dargestellt. Die Pro-Choice-Bewegung setzt sich hingegen für ein freies Denken und selbstständiges Entscheiden ein. Abtreibung wird nicht explizit empfohlen oder beschönigt, aber zumindest als Option angeboten und es wird Hilfestellung in Form von Adressen von Spezialisten und Beratungsstellen geleistet.

https://www.youtube.com/watch?v=N3B692YtepI

Erst gestern wurde dieses Video veröffentlicht, das aktuelle Proteste in Fresno, Kalifornien, zeigt. Zitat der Pro-Choice-Bewegung: "Not one step back". Die Debatte wurde durch Trump und die akute Bedrohung, einen entscheidenden Gerichtsbeschluss aufzuheben, durchaus verstärkt und befeuert.

Betrachtet man erneut die Karte der WHO (s. oben), so fällt einem vielleicht nicht nur die große Anzahl an "unsicheren", zumeist illegalen Abtreibungen auf, sondern auch, dass es nur sehr wenige weiße Flächen auf dieser Landkarte gibt. Soll heißen: Nur in wenigen Ländern sind Frauen durch Gesetze und entsprechende medizinische Versorgung bei einer Abtreibung so gut geschützt, dass kein hohes Risiko für sie selbst entsteht.
Dazu gehören auch die Vereinigten Staaten von Amerika, ein Land mit mehr als 300 Millionen Einwohnern. Man kann nur hoffen, dass ein derartiges Gesetz, das Frauen für eine Abtreibung bestraft, in einer demokratischen Industrienation im 21. Jahrhundert keine Zukunft hat.


Weiterführende Links:

http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/abtreibung-mosambik-lockert-strafgesetze-a-1011437.html

http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs388/en/

https://www.prochoice.org

www.prolife.com

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